Minimalismus – wie aus weniger mehr wird

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Mehr ist nicht mehr besser.

In einer Zeit, in der wir zwischen über hundert Marmeladensorten wählen können und unaufhaltsam neue Angebote in unsere analogen und digitalen Briefkästen flattern, ist es schwierig geworden, das Wesentliche vom Überflüssigen zu unterscheiden.

Die Welt bietet uns mehr an als wir jemals kaufen, ausprobieren und sehen können. Wir haben zwar die Wahl, aber auch die endlose Qual. Lassen wir das Meer an Dingen und Daten ungehindert in alle unsere Lebensbereiche einströmen, drohen wir am Ende zu ertrinken.

Weniger könnte der Rettungsring sein.

Mehr hilft weniger

Mein Erdkundelehrer pflegte zu wiederholen: „Die Menschen glauben viel helfe viel“. Der unerschütterliche Glaube an die Wirkung von Mehr fiel lange nicht nur in der Landwirtschaft beim Einsatz von Düngemitteln auf fruchtbaren Boden.

Scheinbar baut unsere gesamte Kultur auf das Prinzip das Maximierens.

Die Überzeugung sitzt tief, dass es grundsätzlich besser ist, mehr zu haben als weniger: Mehr Kleidung, mehr Geld, mehr Auswahl, mehr Likes.

Doch das Übermaß dient uns nicht immer. Es wird vielmehr an immer mehr Stellen zur Last:

  • Ein voller Kleiderschrank erschwert die morgendliche Outfit-Entscheidung.
  • Trotz gut gefüllter Vorratsschränke kaufen wir Lebensmittel doppelt ein, während ganz hinten einsortiertes Essen seine Haltbarkeit verliert.
  • An mit Terminen und Aufgaben überfrachteten Tagen kommen wir nicht zu den Dingen, die uns wichtig sind.
  • Zu viele Nachrichten verwischen das Relevante.
  • Produktbewertungen, Studienergebnisse und Expertenmeinungen widersprechen sich.

Es ist wie beim Vitamin C: Zu viel des Guten schadet auch.

Der Preis nach dem Kauf

Mehr Konsum macht nicht etwa dauerhaft glücklich, sondern Arbeit.

Denn für ein Produkt zahlen wir nicht nur den Preis an der Ladenkasse. Alles, was wir besitzen, fordert auch ständig etwas von uns ein, zum Beispiel Platz, Aufmerksamkeit und Pflege.

Ein nicht geringer Aufschlag wird fällig dafür, dass ein neues Teil fortan Teil unseres Lebens wird:

  • Maschinen müssen gepflegt, geputzt und gewartet werden.
  • Kleidung möchte gewaschen, gebügelt und gefaltet werden.
  • Dekoartikel wollen arrangiert, abgestaubt und saisonal ausgetauscht werden.

Richtig viel Arbeit erwartet uns, wenn einmal etwas kaputt geht. Dann müssen wir Gegenstände reparieren (lassen), Ersatzteile besorgen oder gleich eine ganz neue Version besorgen. Nicht zu vergessen der Aufwand, Ausrangiertes vorschriftsgemäß zu entsorgen bzw. zu recyceln.

Umgeben wir uns mit zu vielen Dingen, geraten wir in Raumnot, verlieren den Überblick und können nur noch mit Mühe alles in Schuss halten.

Was man nicht sehen kann

Eher diffus ist die Art von Gerümpel, die sich in unseren Köpfen ansammelt.

So steht der mit Kisten bis zur Decke voll gestapelte Keller psychologisch gesehen für unsere Angst die Vergangenheit loszulassen. Der vor Papierkram überbordende Schreibtisch versinnbildlicht die Entscheidungen, die wir nicht treffen.

Auch geistiger Ballast hat einen Preis. Viele Aufgaben im Haushalt und Job halten uns beschäftigt. Schulden bei der Bank und Verpflichtungen gegenüber unseren Mitmenschen schränken unseren Handlungsspielraum ein. Negative Gedanken über uns selbst lassen uns zögern und ängstlich handeln.

Sowohl in der Wohnung als auch im Geist kann Viel zu viel sein.

Die Scheinlösung

Einfache Abhilfe versprechen bessere Ordnungs- und Zeitmanagement-Systeme. Oder wiederum neue Produkte:

  • Mehr Schachteln, Boxen und Container sollen wieder Ordnung in die Wohnung bringen.
  • Die neuen Kochutensilien brauchen wir natürlich, um besser zu kochen.
  • Mit dem neuen Gadjet kann ich meine Zeit noch effektiver nutzen.

Glauben wir. In Wahrheit enttäuschen alle diese Versprechen über kurz oder lang.

Bald quellen auch die neuen Behälter über und das alte Chaos kriecht zurück. Auch die neuen Helferlein stehen bald ungenutzt herum. Erneut kommen wir an den Punkt, an dem wir das Gefühl haben, nicht mehr Herr über unseren Terminkalender zu sein.

Das grundlegende Problem wurde schließlich nur kaschiert. Glück lässt sich nicht online bestellen.

Die Wahrheit lautet: Weniger ist manchmal die bessere Alternative!

Minimalismus – so wird aus weniger mehr

Kennst Du das befreiende Gefühl, eine schwere Tasche voller ausgemisteter Kleidung in den Altkleidercontainer zu werfen? Den Stolz, Ordnung in eine einzelne Schublade gebracht zu haben? Den Triumph, Platz im Regal zurückzugewinnen?

In den Momenten, da wir Dinge loslassen, spüren wir erst, wie sehr uns ihr Gewicht belastet, aus der Balance gebracht hat. Wir fühlen uns im wahrsten Wortsinne „erleichtert“.

Weniger tut uns erstaunlich gut. Einfacher lebt es sich besser.

Minimalismus ist die Philosophie, die sich damit beschäftigt, einfach besser zu leben.

Die Idee, dass weniger oft mehr ist, ist nicht neu. Aber was das für uns konkret im Alltag bedeuten kann, welche Methoden zu welchem Problem passen und wie man letztlich herausfindet, was zu viel und wann es genug ist, sind Fragen über die man einen ganz Blog schreiben kann.

Minimalismus ist vielleicht deshalb so populär, weil er das Überflussproblem unserer Zeit aus der Sicht des Individuums beleuchtet.

Jeder, der Minimalismus einmal ausprobiert hat, weiß: Wir können die Erleichterung des Loslassens einfach fühlen – auch wenn wir lange an etwas anderes geglaubt haben:

Dabei ist Reduktion nur eine Seite der Minimalismus-Medaille. Der wahre Wert des Weglassens alles Überflüssigen liegt in den dadurch frei werdenden Ressourcen.

Indem wir uns mit Hilfe von Minimalismus von Unwichtigem und Belastendem befreien, gewinnen wir mehr Spielraum für das Wesentliche.

Das neue Mehr an Raum, Zeit, Geld, Klarheit und Mut können wir fokussiert in die Menschen und Aktivitäten investieren, die uns wirklich wichtig sind und wahre Freude bereiten.

Sich selbst Grenzen setzen

Das Zuviel aus dem eigenen Leben zu streichen, ist nicht immer leicht. Wer gibt schon offen zu, sich lieber mit weniger zufrieden zu geben?

Unsere Wirtschaft fußt darauf, mehr in kürzerer Zeit zu produzieren und zu konsumieren. Die Werbung weckt Wünsche, die wir gar nicht kannten. Von alleine wird es immer mehr.

„Minimalism requires a conscious decision because it is a countercultural lifestyle that stands against the culture of overconsumption that surrounds us.“

„Minimalismus ist eine bewusste Entscheidung, denn es handelt sich dabei um einen ungewöhnlichen Lebensstil, der im Gegensatz zu unserer allgegenwärtigen Kultur des Überkonsums steht.“

Joshua Becker

Bewusste Entscheidungen

Noch vor einer Generation mussten wir lernen, mit dem Mangel zu leben. Wir müssen lernen, mit dem Überfluss zu leben. Die Grenzen, die nicht mehr im Äußeren liegen, gilt es nun für uns selbst zu ziehen.

Die Minimalismus-Methoden helfen uns dabei. Damit aus weniger mehr werden kann, können wir

  • kontrollieren, was wir in unser Leben lassen
  • nur das kaufen, was wir benötigen
  • die Dinge behalten, die wir benutzen und die uns erfreuen
  • uns darauf konzentrieren, was wirklich wichtig ist.

Und uns vom Rest mit einem Lächeln verabschieden.

Mehr nicht.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Birgit

    Je weniger ich besitze, desto freier fühle ich mich. ich merke das jedes Mal, wenn ich hier weitermache mit der Entsorgung meines Wohlstandsgerümpels. Freue mich sehr auf meine kleine Wohnung.

    1. Rebecca

      Liebe Birgit,
      „Je weniger ich besitze, desto freier fühle ich mich.“ Das hast Du schön geschrieben!
      Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg beim Entrümpel und hoffe, dass Du Dich in Deiner neuen Wohnung rundum wohl und noch freier fühlst 🙂
      Liebe Grüße
      Rebecca

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