Deine To-Do-Liste ist genauso voll wie Dein Kalender. Die Bücher und Zeitschriften, die Du lesen möchtest, stapeln sich. Die Zahl der Filme und Serien, die Du unbedingt anschauen willst, hat mindestens 3 Stellen und die für später gemerkten Videos fühlen sich manchmal an wie eine Pflichtaufgabe, die Du auch noch erfüllen musst.
Ständig versuchen wir, mehr zu tun. Mehr zu planen, mehr zu konsumieren, mehr zu erleben. Mit mäßigem Erfolg. Der Versuch, jede freie Minute zu füllen, führt irgendwann unweigerlich in die Erschöpfung.
Was wir bei der standardmäßigen Addition vernachlässigen: Mehr schafft auch neue Probleme. Die Komplexität einer Sache wird erhöht und zusätzliche Ressourcen gebunden.
Aber was wäre, wenn die Lösung nicht mehr, sondern weniger lautet?
Wenn der beste Weg nicht immer höher, schneller, weiter führt, sondern im Weglassen und Loslassen?
Das bereits in der Antike bekannte Prinzip der „Via Negativa“ kann den gestressten Menschen der Gegenwart diesen Weg aufzeigen. Den Weg zu einem einfacheren und besseren Leben allein dadurch, dass wir Schlechtes vermeiden.
In diesem Artikel erfährst Du, wie Du mit Hilfe von Via Negativa das Hamsterrad, in dem Du rennst, stoppst und erfolgreicher dadurch wirst, weniger oder sogar nichts zu tun.
Was ist Via Negativa?
Beim Konzept der Via Negativa geht es darum, was Du nicht tust. Statt mehr zu machen, beendest oder unterlässt Du die Dinge, die eine negative Wirkung haben.
Du entfernst, was Dich ablenkt, behindert oder belastet – ein Kernprinzip, das Via Negativa mit dem Minimalismus gemeinsam hat.
Der lateinische Begriff „via negativa“ („der negative Weg“) wurde zunächst vor allem von Philosophen und Theologen verwendet. In der frühen christlichen Theologie wurde der Ansatz etwa gebraucht, um Gott dadurch zu beschreiben, was Gott nicht ist. Im Gegensatz dazu stößt der Versuch, Gott durch positive Attribute zu beschreiben, an die Grenzen menschlicher Sprache und Vorstellungen.
In jüngerer Zeit nutzte den Begriff zum Beispiel Rolf Dobelli in seinem (von mir hier rezensierten) Buch „Die Kunst des guten Lebens“ um zu beschreiben, wie man Erfolg eher durch das Vermeiden von Fehlern als durch das Anstreben von Perfektion erreicht.
Niemand kann sagen, was ein gutes Leben garantiert. Aber man kann ziemlich sicher sagen, was ein gutes Leben verhindert.
Via Negativa lässt sich so gesehen perfekt auf unseren Alltag anwenden: Gute Beispiele dafür, was man besser sein lässt, sind schlechte Gewohnheiten wie Rauchen und Alkoholkonsum oder das Kaufen von Dingen, die wir nicht brauchen.
Ein Investor kann erfolgreich sein, indem er ständiges Umschichten, Panikreaktionen und riskante Investitionen vermeidet.
Anstatt sich auf das Hinzufügen neuer Gewohnheiten, Aufgaben und Dinge zu konzentrieren, ist es also klug, einmal umgekehrt vorzugehen: Das Entfernen von Überflüssigem führt zu mehr Klarheit, weniger Stress und mehr Erfolg.
5 Strategien, Via Negativa in Deinem Leben anzuwenden
Es ist einfacher und besser, sich zu fragen, was man nicht tun sollte, anstatt, was man (noch) tun sollte.
Werden wir noch konkreter und fragen: Wie kannst Du Via Negativa in Deinem Leben einsetzen, um sofort eine positive Entlastung zu spüren?
Ich zeige Dir fünf Strategien, mit denen Du in allen Lebensbereichen vom „negativen Ansatz“ profitieren kannst:
1. Streiche unnötige Verpflichtungen
Du sehnst Dich nach mehr Zeit für das, was Dir wichtig ist, zum Beispiel Deine Familie, Sport und Erholungspausen? Dann nutze Via Negativa, um Dich von unnötigen Verpflichtungen zu trennen, die Dir Zeit rauben und keinen Mehrwert bieten.
Beispiele für Verpflichtungen aus dem Berufs- und Privatleben, die Du sein lassen könntest:
- zähe Status-Meetings, die man auch per E-Mail erledigen könnte
- E-Mails aus Verteilern empfangen, die Dich nicht betreffen
- Reportings, die nicht (mehr) gebraucht werden
- Projekte, die nicht zu Deinen Kernaufgaben gehören
- Pflegen von Informationskanälen, die die Zielgruppe nicht nutzt
- Treffen mit Kollegen oder Freunden, die Dir Energie rauben
- Engagement in Vereinen, für die Du nicht mehr brennst
- Routinen, die keinen Unterschied machen.
Frage Dich zum Beispiel bei allen wöchentlichen Verpflichtungen: „Was würde passieren, wenn ich das streiche?“ und teste für einen Monat, sie wegzulassen. Wenn es auch ohne geht, lass sie dauerhaft sein.
Durch das Reduzieren von überflüssigen Aufgaben im Job wirst Du mehr Zeit für fokussierte und kreative Arbeit gewinnen. Zu Hause bleibt Dir mehr Zeit für das, was Dir neue Energie schenkt.
2. Reduziere finanzielle Belastungen
Statt nach mehr Einkommen zu jagen und zum Opfer von Lifestyle Inflation zu werden, ist es viel einfacher, unnötige Ausgaben zu reduzieren, um jeden Monat einen finanziellen Überschuss zu erreichen und sich auf den Weg zur Freiheit zu machen
Das eingesparte Geld kannst Du zum Beispiel nutzen, um Schulden abzubauen, einen Sparplan zu befüllen und ein Vermögen aufzubauen.
Beispiele für Verhalten im Finanzbereich, das Du besser sein lässt:
- mehr ausgeben als einnehmen
- ungenutzte Abonnements (z.B. Streamingdienst, Fitness-App, Zeitschrift)
- Impulskäufe
- Einkaufen als Freizeitbeschäftigung
- ständig auswärts essen gehen
- ohne Proviant verreisen
- nur per Karte bezahlen
- Konsumschulden aufnehmen (z.B. für Reisen, Auto, Mode)
- aktiv gemanagte Fonds kaufen
- Dich bei Turbulenzen an der Börse aus der Ruhe bringen lassen.
Gerade an der Börse ist Aktionismus oft fatal. Wer während einer Finanzkrise in Panik alle seine Werte verkauft, macht in der Regel hohe Verluste. Besser ist es, besonnen zu bleiben und an einer langfristig orientierten Investitionsstrategie festzuhalten.
3. Minimiere Konflikte in Beziehungen
Streit und Drama in Beziehungen entstehen oft durch überflüssige Erwartungen oder Missverständnisse. Via Negativa heißt, diese loszulassen.
Beispiele für Verhalten in Beziehungen, das Disharmonie fördert:
- darauf warten, dass sich der Partner ändert
- erwarten, dass andere schon wissen, was man sich von ihnen wünscht
- Druck auf andere ausüben
- unaufmerksam bei persönlichen Begegnungen sein
- sich über Kleinigkeiten aufregen
- (Haus-)Arbeit gegeneinander aufrechnen
- Vertrauen missbrauchen
- schlecht über andere reden
- unangenehme Gespräche vermeiden.
Durch diese und ähnliche Verhaltensweisen wird das „emotionale Beziehungskonto“ strapaziert und Vertrauen schwindet. Beziehungen leiden oder gehen gar in die Brüche.
Gibt es eine Beziehung, die Dich gerade belastet? Du hast zwar keinen Einfluss darauf, wie sich Dein Gegenüber in Zukunft verhält. Aber dafür kannst Du bestimmen, mit welchen Gedanken Du ihm das nächste Mal begegnest. Im Sinne von Via Negativa könntest Du Dich fragen: Welche Erwartung an den anderen kann ich vielleicht loslassen?
Wenn Du Dich zum Beispiel bislang über die Unpünktlichkeit Deines Freundes ärgerst, solltest Du akzeptieren lernen, dass Du sein Verhalten nicht kontrollieren kannst. Plane stattdessen Deine Zeit unabhängiger und kommuniziere klar Deine Grenzen.
4. Schalte digitale Ablenkungen aus
Ständige Benachrichtigungen und Unterbrechungen zerstören unseren Fokus für Arbeit und Privatleben. Mit dem Via-Negativa-Prinzip kannst Du den allgegenwärtigen digitalen Ballast beseitigen und Freiraum für Wichtigeres zurückgewinnen.
Beispiele für digitale Ablenkungen, die Du abschalten kannst:
- akustische und optische Social-Media-Benachrichtigungen
- Nutzen von mehreren Social-Media-Kanälen
- Mitgliedschaft in Gruppenchats, in denen endlos diskutiert wird
- immer erreichbar sein
- mehrmals täglich Nachrichten konsumieren
- Dein Handy immer bei Dir tragen
- nach dem Aufstehen zuerst ans Smartphone gehen
- Followers mit Freunden verwechseln
- bei der Begegnung mit anderen dem Handy Vorrang schenken.
Wenn Du eine oder sogar mehrere dieser eher schädlichen Verhaltensweisen streichst, wirst Du garantiert jeden Tag mehr Zeit für produktive Arbeit und Deine Familie gewinnen.
Noch mehr „Freizeit“ tut sich auf, wenn Du regelmäßig ein Digital Detox einlegst und Du tageweise auf Dein Handy verzichtest. Das führt außerdem zu einem bewussteren Umgang mit Technik.
Für den Einstieg könntest Du eine App auswählen, die Dich stark ablenkt, und ihre Benachrichtigungen für 24 Stunden ausschalten. Wenn es funktioniert, kannst Du auch mit anderen Apps so vorgehen.
5. Vermeide Perfektionismus
Der Drang, alles perfekt machen zu wollen, blockiert Fortschritt. Via Negativa heißt, in den Bereichen Arbeit, Finanzen und Beziehungen „gut genug“ zu akzeptieren. Du kommst besser voran, wenn Du den mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbundenen Anspruch an perfekte Ergebnisse ziehen lässt.
Beispiele dafür, dass perfekt nicht besser als gut ist:
- wenn Du eine Präsentationen stundenlang optimierst
- wenn Du viele Veränderungen gleichzeitig angehen möchtest
- wenn Du Dich überfordert fühlst
- wenn Du viele Ziele auf einmal verfolgst
- wenn Du vor dem Marmeladenregal stehst
- wenn Du lange nach der perfekten Investition und dem besten Einstiegszeitpunkt suchst
- wenn ein kleines Projekt immer komplizierter wird
- wenn Du das hundertste Buch über Zeitmanagement liest
- wenn Du Dein Leben lang nach einer besseren Alternative suchst.
Wer immer alles richtig machen will, wird erst recht scheitern. Ein nicht-perfekter, veröffentlichter Text immer noch besser als ein perfekter, unfertiger Text.
Setze Dir zum Beispiel für das Schreiben eine Protokolls eine Zeitgrenze, etwa eine Stunde. Halte Dich daran, auch wenn das Ergebnis nicht perfekt ist und Du noch Details ergänzen oder das Layout verfeinern könntest.
Hilfreich beim Bewerten, was Du streichen kannst, ist das Pareto-Prinzip: Demzufolge erlangen wir in der Regel mit nur 20 Prozent des Aufwands 80 Prozent des Ergebnisses. Wenn Du herausgefunden hast, worin diese 20 Prozent liegen, kannst Du den Rest vernachlässigen.
Weniger ist der Schlüssel
Wie sich die philosophischen Einsichten von der Antike bis heute doch ähneln: Via Negativa ist wie Minimalismus ein Werkzeug, um Überflüssiges zu identifizieren und zu reduzieren. Reduktion statt Aktion.
Stell Dir vor, Du hast weniger Stress im Job, mehr Geld auf dem Konto und tiefere Beziehungen mit Freunden – nur, weil Du gelernt hast, Nein zu Unwichtigem zu sagen.
Wähle heute noch eine Sache aus, die Du streichen kannst, und beobachte den Unterschied! Fortgeschrittene stellen eine Not-To-Do-Liste auf, mit der sie im Alltag schnelle und unter Druck auch bessere Entscheidungen treffen.
Via Negativa kann der passende Schlüssel zu einem einfacheren, erfüllteren Leben sein. Indem Du Ablenkungen, Ausgaben und Belastungen aus Deinem Leben streichst, gewinnst Du Zeit, Geld und Energie für die wirklich wichtigen Dinge.
Es ist nicht der Mangel an Zielen oder Zeit, sondern das Zuviel an Unnötigem, das Dich bremst.
Was kannst Du heute loslassen, um freier zu sein?
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„Wer nicht weiß, welchem Hafen er zusteuern soll,
Seneca
für den gibt es keinen günstigen Fahrtwind.“

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Da fällt mir doch sofort das Stichwort Mental Load ein. Deine Anregungen helfen dabei, diesen zu verringern.
Liebe Sirin,
der Mental Load lässt sich auch durch Minimalismus reduzieren. Danke für den Tipp! 😄
Viele Grüße
Rebecca